Mittwoch, 19. Februar 2014

Und da draußen, da brennt Kiew

Und da draußen, da brennt Kiew.
Denke ich, als ich die Nachrichten sehe. Die Bilder dort zeigen einen brennenden Platz, wie aus einem Endzeitszenario, es ist von Polizeigewalt die Rede, von toten, tausenden Verletzten. Es sind Szenen, wie man sie aus anderen Ländern, in den letzten Jahren vorallem aus der arabischen Welt kennt. Ich ertappe mich bei dem Gedanken „Aber doch nicht in Europa“, in der wahnwitzigen Annahme, dass Europa so etwas wie Polizeigewalt und gewaltsamen Protest lange abgelegt hätte, was nun so nicht stimmt. Mir huscht ein zynisches Schmunzeln über die Lippen, bei dem Gedanken, dass unser Europa ein Grund für diesen Protest war. Die Menschen wollten dazu gehören, zu unserem Europa, haben auf diesem Platz seit Wochen ausgeharrt, um an der Europäischen Idee teilzuhaben, einem Europa, dass wir so oft mit Füßen treten und von den verrückten in Brüssel reden. Ich mag dieses Europa, die Ideen, auf denen es erbaut ist, dass wir doch zusammen so viel stärker sind, als alleine, Freiheit, und Demokratie.

Und da draußen, da brennt Kiew.
Weil tausende zu diesen Ideen hin wollen, sich nicht von Russland drangsalieren lassen wollen und deswegen zu Schlachten mit der Polizei verdammt sind. Welch eine Protestkultur, die so viele Menschen auf die Straßen gegen einen Präsidenten auf dem falschen Pfad schickt, eine Protestkultur, die man uns deutschen so oft abspricht. Auf der anderen Seite steht die einzige Regierungschefin, gegen die wir haben, für so wenig Inhalt, dass man beileibe kaum einen Ansatzpunkt für so einen Protest fände. Aber wir finden andere Gründe. Ich muss an die Proteste in Hamburg denken, Menschen protestieren für die Rote Flora und für Asylbewerber, der Konflikt eskaliert, eine Gefahrenzone wird ausgerufen. Ich muss daran denken, dass ich damals kurz nach den Protesten einen Auftritt in Hamburg in unmittelbarer nähe zur roten Flora hatte, und dass ich die Stimmung dort als bedrohlich empfand, obgleich mich faszinierte, wie politisch die Menschen in Hamburg sind. Sie sind ein Beispiel dafür, dass so etwas wie Politikverdrossenheit nicht existiert, höchstens Politikerverdrossenheit, oder Systemverdrossenheit.

Und da draußen, da brennt Kiew.
Und ich kann die Eskalation nicht gut heißen, nicht in Kiew, nicht in Hamburg, nirgends. Als Pazifist verabscheue ich die Gewalt, betrachte sie als überflüssig, und würde sich jeder daran halten, gäbe es auch keine Gewalt, aber das ist wohl nur ein Traum. Aber dennoch ist die Idee des gewaltlosen Protestes eine wichtige, die uns immer bewusst sein muss, als Ausdruck des Willen des Volkes im Sinne der Gerechtigkeit.

Und da draußen, da brennt Kiew.
Und es soll uns ein Mahnmal sein, dass Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Frieden im eigenen Land keine Selbstverständlichkeit sind, und dass beide Seiten, Staat und Volk, immer wieder dafür kämpfen müssen, dies zu erhalten. Bertholt Brecht schrieb: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“, und Gandhi lehrte uns den Erfolg des gewaltlosen Protestes. Und das sollten wir bedenken, um unser aller Willen, damit wir nicht wie die Ukraine in ein korruptes System verfallen, damit nicht bald Berlin brennt.

Und am Ende bleibt die Frage, was können wir für die Menschen in der Ukraine tun. Nicht viel, wir können uns solidarisch zeigen, Druck auf unsere Regierung ausüben, damit die Druck auf die Regierung der Ukraine ausübt.
Denn da draußen, da brennt Kiew.

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